Die Ballontruppe als Pionier der Funknachrichten
Der deutsche Physiker Heinrich Hertz (1857-1894) machte erste praktische Versuche, die Elektrizität zur Übermittlung von Nachrichten zu nutzen. Dem Prof. Adolf Slaby (1849-1913) gelang es an der Technischen Hochschule Charlottenburg den praktischen Nachweis der drahtlosen Telegrafie zu führen. Kaiser Wilhelm II., der sich moderner Technik gegenüber stets ausgeschlossen zeigte, konnte von Slaby überzeugt werden, die neue Entwicklung zu fördern. Tatkräftige Unterstützung erhielt Slaby von seinem Assistenten, Georg Graf von Arco (1869-1940). Die Matrosenstation an der Berliner Schwanenallee wurde zum Hauptquartier neuer Experimente. Hier standen die Empfangsapparate, die mit der Antenne an der Spitze des Flaggenmastes verbunden waren. Der Sender befand sich auf der 3 km entfernten Pfaueninsel. Nach erfolgreichen Versuchen verlegte man die Gegenstelle auf den Turm der Heilandskirche bei Sacrow. Der Vorteil der neuen Stelle bestand nicht nur darin, durch unmittelbare Sichtverbindung eine Winkerstrecke zur Matrosenstation haben, sondern auch in der Möglichkeit über Fernsprechkabel zwischen Sende- und Empfangstelle kommunizieren zu können, weil der Kommandeur der Luftschifferabteilung, Major Nieber, das in der Havel liegende Kabel dafür freigab.
„Nachdem es gelungen war, von der Sacrower Heilandskirche aus Telegramme über eine Distanz von 1,6 km an die Matrosenstation zu senden, wagten die beiden unermüdlichen Wissenschaftler am 27. August 1897 am selben Ort eine Vorführung für seine Majestät Kaiser Wilhelm II.“ Wohl wissend um den internationalen Wettbewerb in dieser neuen Nachrichtentechnik, wo insbesondere Italien durch Marconi zeitweilig Schrittmacher war, befahl der Kaiser am 2. September 1897 anläßlich der Herbstparade, dem Oberleutnant d. R. H. Bartsch von Sigsfeld , drahtlose Telegrafenstationen für das preußische Heer zu entwickeln. Zu dem Zweck wurden die Assistenten von Prof. Slaby, Graf v. Arco u. P. Klingenberg, zur Luftschifferabteilung eingezogen. Bei den Experimenten auf dem Tempelhofer Feld nutzen sie die Halteseile der Fesselballons als Antenne. Hierzu hatte die Ballon-Abteilung auf dem Tempelhofer Feld schon einige Vorarbeiten geleistet. Denn bei deren Aufstiegen war es häufig zu elektrischen Entladungen gekommen, nicht nur bei Gewittern, sondern auch bei „schönem“ Wetter. Die Problemlösung wurde dahingehend gesucht, daß „Hanfseile zwischen Ballon und Drahtkabel am Korb und an der Winde die direkte Metallverbindung unterbrachen. Mit Hilfe der Firma des Werner von Siemens konnte ein Weg zur Erdung der Kabel gefunden werden. „Die Zusammenarbeit mit den Luftschiffern brachte Erfolge. 10 cbm große Signalballone, bei starkem Wind auch Drachenballone, brachten 200 m lange Antennenkabel in die Höhe. Es gelang eine Übertragung über 3 km von Rixdorf, heute Neukölln, zum Übungsplatz.“
Immer weitere Distanzen konnten überbrückt werden. In Zusammenarbeit mit der Königlichen Militäreisenbahn, die die Beförderung der umfangreichen Ausrüstung übernahm, ist im Oktober 1897 vom Bahnhof Rangsdorf über 21 km Entfernung die Empfangsstelle in Berlin-Tempelhof erreicht worden. „Im Frühjahr 1898 überbrückten Slaby und Arco sogar die Strecke von Jüterbog 60 km südlich von Berlin zum Tempelhofer Feld.“
(Auszug aus dem Manuskript der Neufassung der Jüterboger Garnisongeschichte)