Kompaniebesichtigung
In früheren Zeiten nannte man in der Armee die Besichtigung „Vorstellungen“. – Mit Theatervorstellungen hatten diese Besichtigungen allerdings mancherlei gemein. Der Vorstellung gingen unzählige Proben und eine Generalprobe voraus; das war die Vorbesichtigung, der wieder eine Vorbesichtigung zur Vorbesichtigung vorausging, die häufig noch mehrere Vorbesichtigungen zur Vorbesichtigung erforderte. Gemeinsam mit Theatervorstellungen hatte solche Kompanievorstellung noch, daß sich zu ihr eine erschreckende Zahl von Zuschauern einzustellen pflegte, und selbst darin war eine gewisse Ähnlichkeit, daß die Schauspieler, in unserem Falle also die Kompanie, bei Mißlingen der Vorstellung von den Zuschauern zwar nicht „aus-„ aber „angepfiffen“ wurden.
Das Programm der richtigen Kompaniebesichtigung war seit der Zeit des Alten Fritz unverändert. Es war die alte Frühjahrsrevue. „Erste Aufstellung, Griffe im ganzen, Rottenmarsch, Exerzierbewegungen im Tritt, Parademarsch!“ Das war das, was, solange es eine königlich preußische Armee gab, zur Kompaniebesichtigung gehörte. Eine Zeitlang versuchten verblendete Neuerer diesem Schauspiel in fünf Akten einen zweiten Teil in Form eines Gefechtes anzuhängen. Da sah dann die ganze Veranstaltung etwa aus wie dein friederizianischer Grenadier am Maschinengewehr. Diesen Schönheitsfehler erkannte das Publikum, und so trennte man reumütig den ersten und zweiten Teil, das heißt, man machte einige Wochen nach der „richtigen“ ärarisch fiskalischen Kompanievorstellung eine Besichtigung der Kompanie im Gefecht und befriedigte damit die ärgerlichen Nörgeleien der Modernen, ohne die Bedeutung oder dem Glanz der „Kompanievorstellung“ damit Abbruch zu tun.
Ja, es war, buchstäblich und im wahrsten Sinne des Wortes, ein „glänzendes Schauspiel“, die Kompanievorstellung, die die Periode des Kompanieexerzierens beendete.
Die erste Aufstellung der Kompanie allein war schon glänzend, denn glänzen taten nicht allein die blanken Knöpfe und die blitzenden Koppelschlösser, die blitzblank geputzten Helmspitzen und die Trommeln der beiden Tamboure; nein, es glänzten die Stiefel, der beiden in schnurgerader Linie stehenden Kompanieglieder, es glänzten die zum Aussehen erstklassigen Lackleders gebrachten Patronentaschen, es glänzten die Tragriemen der Tornister, es glänzte alles, was Metall, Leder oder sonst glänzend war, wenn die Morgensonne so eine mit virtuoser Kunst aufgebaute Besichtigungskompanie bestrahlte…
Die Seitenrichtung nach der Schnur war das wenigste. Aber die richtig Fühlung, die Absätze auf einer Höhe, die Fußspitzen beinahe einen rechten Winkel, die Halsbinde strohhalmbreit, die Helmschiene mit den Augenbrauen abschneidend, das Seitengewehr 2 Finger breit vom Taillenknopf, das Troddel richtig gebunden, das Kinn ran, Vornereinlegen, die rechten und die linken Hände, der Tornistersitz, der gerollte Mantel und die Zeltbahn!
…dies Stillstehen glich einer zu völliger Regungslosigkeit erstarrten Menschenmauer, bei der auch die Bewegung der Erde, die bekanntlich Ebbe und Flut verursachen soll, restlos ausgeschaltet war.
Aus: Herbert Böckmann u. Johann Ernst v. Gal: „Vom alten deutschen Heer“