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    Pfarrerbesoldung

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    Beitrag von Gardestern Di Okt 09, 2012 8:09 pm


    Das Pfarrerbesoldungsgesetz für die ev. Landeskirche der älteren (preuß.) Provinzen vom 26. Mai 1909 :

    § 1:
    Jeder in einem dauernd errichteten Pfarramte der ev. Landeskirche fest angestellte Geistliche, dessen Pfarrstelle bei der Alterszulageklasse für ev. Geistliche versichert ist, erhält ein Diensteinkommen, welches besteht:
    a) in einem Grundgehalte;
    b) in Alterszulagen;
    c) in Dienstwohnung oder angemessener Mietsentschädigung...

    § 2:
    Das Grundgehalt ist im voraus vierteljährlich zahlbar und beläuft sich, wenn die Versicherung erfolgt ist
    in Klasse I oder II auf 2.400 Mark,
    in Klasse III auf 3.000 Mark,
    in Klasse IV auf 3.600 Mark,
    in Klasse V auf 4.200 Mark,
    in Klasse VI auf 4.500 Mark,
    in Klasse VII auf 4.800 Mark,
    in Klasse IX auf 5.400 Mark


    Unter diesen Umständen sollte sich ein reifes Mädchen eher nach einem Theologen als nach einem Offizier umsehen...
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    Beitrag von Gardestern Di Okt 09, 2012 8:11 pm

    Fritz schrieb am 26.02.2010:

    Durch die Einführung der Zivilstandsregister um 1874 kam es zu einem großen Wegfall der kirchlichen Einnahmen. Der Pfarrer bekam nur ein geringes Grundgehalt, alles weitere musste durch Pfründe oder eben Zahlungen für Amtshandlungen erbracht werden. Eben diese Zahlungen vielen verstärkt fort, reichte es doch nun standesamtlich zu heiraten oder die Geburt beim Standesbeamten anzuzeigen.
    Man trat an den Staat als „Verursacher heran und forderte Ausgleichszahlungen. Diese wurden auch jährlich bewilligt, wodurch in Mindesteinkommen von 1800 Mark gesichert war. Dieses Geld reichte aber bei weitem nicht aus, um angemessen leben zu können oder den Kindern eine bessere Schulbildung zukommen zu lassen. Pfarrer waren weiterhin darauf angewiesen Privatunterricht zu erteilen oder Witwen bei sich aufzunehmen. Das erklärt z.B. auch die obligatorische Gans bei der Anmeldung zum Konfirmandenunterricht.
    Das Gehalt eines Pfarrers lag deutlich unter dem eines Oberlehrers und erst nach 25 jähriger Dienstzeit gab es eine Alterszulage. Erschwerend kam gerade in den Landgemeinden hinzu, dass man durch die Verpachtung von Kirchländereien (das eigenständige Beackern nahm bereits ab 1860 stark ab) in einer gewissen Abhängigkeit von der Landbevölkerung war. Man unterlag der Argrarkonjunktur, so dass die Einnahmen stark schwanken konnten. Bis 1890 änderte sich daran nicht viel. Der Reichstag entschied jährlich über die Höhe der Subventionierung. Staatsbeamte ohne Hochschulbildung verdienten deutlich mehr, selbst der schlecht bezahlte Justizbeamte hatte über die Hälfte mehr Jahreseinkommen.
    Ab 1897 wurden die Dienstaltersstufen denen der Beamten angepasst und die Einstiegsvergütung auf 2400 Mark angehoben. Damit lag man finanziell nur noch knapp unter den Gymnasiallehrern.
    Pfarrer blieben übrigens aus wirtschaftlicher Not heraus so lange in ihrem Amt, denn die Pfarrstelle hatte die anstehende Pension, die urspünglich bei einem Drittel, später bei der Hälfte der Summe lag, die der Nachfolger im Amt bekam zu erwirtschaften.

    Abschließend kann man sagen, dass Pfarrer zwar ihrem Status nach in gewisser Hinsicht zum oberen Bürgertum zählten, materiell diesem Status aber nicht gerecht werden konnten sondern eher im Bereich der gehobenen Kleinbürger haushalten mussten.

    und ergänzte am 11.03.2010:

    Ich hab hier noch ein paar Zahlen für Lüneburg.
    Demnach waren im Jahre 1871/72 beim Pfarrer an Gebühren zu entreichten

    a) für Taufen:
    10 Groschen von einem Einwohner der Stadt
    20 Groschen von einem Bürger
    Honoratioren konnten nach Belieben zahlen
    Die Gebühr für die Taufe von unehelichen Kindern verdoppelte sich.

    b) für Trauungen
    26 Groschen von Einwohnern
    1 Taler 6 Groschen von Bürgern
    1 Taler 18 Groschen von höheren Bürgern und Honoratioren.

    Es stellt sich hier die Frage, ob uneheliche Kinder ob der hohen Kosten nur selten getauft worden sind. Wenn dem so wäre, dann würde mich interessieren, woher die Statistiken vor 1874 glaubhafte Zahlen über das Verhältnis von ehelichen und unehelichen Geburten haben.

    Übrigens findet sich in den Lüneburger Kirchenbüchern häufig bei Trauungen auch der Vermerk "in privatim corp." , was besagt, dass es sich um eine Haustrauung handelte. Diese waren nämlich wesentlich billiger als die in der Kirche. Bei Taufen ist mir "in privatim" noch nicht begegnet.

    Um die Gebühren mal in ein Verhältnis zu setzen:
    1872 kostete auf dem Lüneburger Markt
    1 Pfund Butter 9 Groschen,
    ein Zentner Kartoffeln 1 Taler 17 Groschen und 6 Pfennige und
    ein Huhn (alt)10 bis 12 Groschen.
    Die Frage dürfte also tatsächlich gewesen sein Huhn oder Taufe, wobei das Huhn zu dieser Zeit eher unterlegen war. Mit der Einführung der Standesämter dürfte es schon wieder anders ausgesehen haben, was sich ja in den o.g. beschriebenen finanziellen Einbußen der Pfarrer niederschlug.

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